Von jung und angejahrt in Wort und Bild

Tagesnotizen #9: Am bayerischen Meer

Das wird eher ein Eintrag experimenteller Natur. Ich bin mindestens so blau wie der Chiemsee heute. Der Cabernet Sauvignon ist schuld. Seinen Verführungskünsten bin ich sofort erlegen. Und da ich die letzten paar Jahre vorwiegend schwanger oder am Stillen war, vertrage ich auch nichts mehr.

Egal. Mir geht’s gut.

Unglaubliche sechs Stunden Schlaf hat die vergangene Nacht für mich bereitgehalten. Was aber nicht bedeutet, dass ich jetzt nicht müde wäre.  Irre.  Heute Morgen dachte ich noch, das Thema Schlaf hätte sich für`s Erste erledigt und ich könne die folgenden Nächte mein Buch fertig schreiben. Oder so ähnlich. Schließlich komme ich gerade aus dem Schlaraffenland. Wo Träume an den Bäumen hängen und Tiefschlaf sich aus unversiegbarem Quell in endlose Flüsse ergießt. Doch jetzt, da mein Körper mal wieder geschnallt hat, wie Schlafen geht, will er offensichtlich gleich weiterüben.

Früher war ich ein überzeugter Stubenhocker.

Wenn Eltern mir erzählten, dass sie unbedingt raus müssten, weil ihnen samt Nachwuchs sonst die Decke auf den Kopf fiele, konnte ich nur verständnislos nicken. Langeweile war ein Fremdwort für mich.

Doch die Crux an der Sache ist die: Mit Kindern kannst Du nicht unbedingt das machen, was Du normalerweise an einem faulen Tag tun würdest: Lesen, Zeichnen, Surfen (- zumindest nicht durch das Internet), ausgiebig Couchen und die „Herr-der-Ringe“-Triologie oder eine Staffel „Game of Thrones“ am Stück anschauen. Never ever! Die Kleinen sitzen am längeren Hebel und den betätigen sie auch.

Wir sind heute ans bayerische Meer geflüchtet. Inklusive Kinder, versteht sich.

Vor sieben Jahren war ich zuletzt hier, an diesem Ort. Meine persönliche Sturm- und Drang-Zeit. Konserviert in Erinnerungen, die heute reaktiviert wurden.

Schwappende Wellen.

Freche Enten.

Tiefblaues Wasser.

Schneebedeckte Gipfel in der Ferne.

Weiße Tupfer überall. Auf dem See die Segelboote. Auf der Wiese die Gänseblümchen.

Das Miniaturmühlrad am Wegesrand.

Wild durcheinander gewürfeltes Mobiliar.

Karierte Tischdecken.

Nostalgische, bauchige Tassen. Zum Milchkaffee die obligatorischen Amarettini.

Ein Arrangement aus Blumen, Marienstatuen, Laternen, alten Reklametafeln und Zigarettenautomaten. Es könnte kitischig und geschmacklos wirken. Tut es aber nicht.

Die knarzende Hollywoodschaukel ohne Dach ist auch noch da.

Psychologen dürfen ebenfalls nicht fehlen. Ich weiß, woher sie kommen.

Das Eiliensche tänzelt gedankenverloren vor sich hin. Bremst dadurch ein Paar mittleren Alters aus, das wenige Schritte hinter ihr Hand in Hand am See entlang schlendert.

Ich bitte mein Töchterlein, die Leute vorbei zu lassen, da sich unser Tempo in der nächsten halben Stunde nicht wesentlich erhöhen wird.

Die Reaktion der beiden Mitmenschen fällt anders aus, als erwartet:

„Sie steht doch gar nicht im Weg.“

Wie zuvorkommend.

Noch freue ich mich: „Schön, dass Sie das so entspannt sehen!“

Aber es geht noch weiter:

„Sie sollten Ihr Kind nicht korrigieren. Wie können Sie dem Kind nicht zubilligen, dort zu gehen, wo es will?“

Therapeuten. Eindeutig. Oder Patienten. Nach dem zehnten Klinikaufenthalt.

In mir ringen Humor und Groll um die Pole Position.

Irgendwo aus dem Nirgendwo kommt das letzte Quentchen Diplomatie daher und drängt, an den beiden Rivalen vorbei, nach vorne: “ Ich hoffe, dass meine Kinder trotzdem glücklich sind. Auch wenn ich ihre Freiheiten manchmal ein klitzekleines Bisschen einschränke.“ Vielleicht nicht die passendste aller Antworten. Aber immerhin bin ich niemandem an die Gurgel gegangen.

(Das neunte Blogroman-Kapitel steht kurz vor der Fertigstellung. Bitte verzeiht mir, dass ich Euch heute statt dessen noch einmal mit meinen belanglosen Tagesnotizen quäle. 🙂 )

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2 Kommentare

  1. Uli

    Ja, ich finde es auch unverantwortlich, seinen Kindern Rücksicht und Umsicht (beides im wahrsten wie auch im üblichen Sinne der Worte) beizubringen. Schämen solltest Du Dich. /s

    • Federfarbenfee

      Ja, die Einen bekommen schon Schnappatmung, sobald ein Kind im Umkreis von 5km sich erdreistet, laut zu lachen. Für andere grenzt es an Kindesmisshandlung, wenn man nur den Hauch eines Tadels äußert. Ich bleib dabei: Wie man`s macht, ist es verkehrt. LG, Marianne

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