Von jung und angejahrt in Wort und Bild

Peng

Die Kinder spielen ausnahmsweise in trauter Eintracht. Mein Mann und ich nutzen die Gelegenheit und stehlen uns klammheimlich davon, um ein wenig Zweisamkeit zu genießen. Doch kaum berühren sich unsere Lippen, hören wir schon kleine Füßchen leise die Treppe hinauftapsen und kurz darauf steht ein völlig aufgelöstes Ämmale im Schlafzimmer.

„Das Eiliensche hat mir meine Playmobilfigur weggenommen“, erklärt sie in einem Tonfall, den in längst vergangenen Zeiten Überbringer schlechter Nachrichten, das eigene Ableben direkt vor Augen, angeschlagen haben.

Zwei Sekunden später liegt sie plötzlich zwischen uns und drückt sich an mich.

„Hey, irgendwas läuft hier schief“, brummt mein Mann. „Wieso kuschelst DU jetzt mit der Mama? Und nicht ich?“

Das Ämmale schaltet auf Ignore. Und selbst wenn sie etwas erwidert hätte, wäre ihre Antwort im Gebrüll unserer anderen Tochter untergegangen, welche die fröhliche Familienrunde nun komplettiert.

„Ich spiele nie wieder mit dem Ämmale!“, ruft sie. Und zwei Sekunden später wird das ursprüngliche Liebesnest zur Ringkampfarena für zwei kindliche Furien.

„Ja, knallt mal ordentlich mit den Köpfen aneinander“, ruft M. in das Handgemenge hinein. „Dann schlaft ihr wenigstens bis Montag.“

Stattdessen bin ich es, die vom Ämmale – allerdings aus Versehen – mit einer heftigen Kopfnuss verwöhnt wird.

„Kein Problem“, murmle ich etwas betröppelt. „Ich könnte auch mal wieder etwas Schlaf gebrauchen.“

„Ja, stell dir mal vor, wie deine Fit-Uhr jubiliert, wenn du endlich mal pennst“, nickt mein Mann. „Zum ersten Mal darf sie dir dann zu einer guten, nein, zu einer SEHR guten Schlafeffizienz gratulieren!“

Dieses Update meiner Fit-Uhr schmeckt mir übrigens nicht besonders. Ich nutze die Schlafmessung, die tatsächlich an die Auswertung aus dem Schlaflabor damals herankommt, vor allem, um mich zu beruhigen. Denn da sehe ich schwarz auf weiß, dass ich auch in grottigen Nächten oft zumindest auf ein paar Minuten Tiefschlaf komme.

Muss keiner verstehen. Aber mir hilft es.

Was ich allerdings weniger schön finde, ist die Tatsache, dass ich neuerdings ungefragt auch die Schlafeffizienz angezeigt bekomme. Und die ist unterirdisch. Selbst in guten Nächten wache ich alle zwanzig Minuten auf und brauche ewig, bis ich wieder einschlafe und wenn ich mal über die Nacht verteilt fünf Stunden insgesamt zusammenkratze, ist das für mich zwar Bombe, aber für den Otto-Normalschläfer eine Katastrophe. Ich will mich nicht mit anderen vergleichen, sondern nur meine Bestätigung haben, dass ich auf ein Minimum an Tiefschlaf komme.

Womit wir bei einem anderen Thema wären, das sowohl meine „große“ Tochter als auch mich derzeit leider wieder mehr beschäftigt, als uns guttut. Die Boxrunde zwischen dem Eiliensche und dem Ämmale ging zum Glück unentschieden aus. Doch wie sich später herausstellte, war die Grundstimmung des Eiliensche schon zuvor hundsmiserabel gewesen.

Warum?

Nun, sie hatte die Hausaufgabe, ein Haus mit Lineal zu zeichnen und auszumalen und die Direktorin der Schule hatte wohl im Vorfeld angekündigt, dass sie an einem der darauffolgenden Tage in die Klasse käme und dann entscheiden würde, bei welchem Kind sie einziehen würde.

„Und was ist, wenn sie nicht bei mir einziehen will?“, fragt mich das Eiliensche verunsichert.

„Dann ziehe ich bei dir ein“, sage ich prompt. „Dein Haus wird wunderschön. Das weiß ich.“

Doch dieser „Trostpreis“ kann sie nur bedingt aufmuntern. Mein Kind tickt da genau wie ich. Es spielt das Worst Case Szenario durch und hat dann überhaupt keinen Bock mehr. Obwohl das Eiliensche eigentlich sehr gerne malt. Und mir wird flau im Magen, wenn ich daran denke, was da in den nächsten Jahren noch alles auf uns zukommt.

Ich habe Wettbewerbe, Konkurrenzdenken und die ewige Vergleicherei gefressen. In jedem Lebensbereich. Mich motiviert so etwas rein gar nicht. Es stresst mich. Und meine Tochter auch.

Menschen, die unbeirrt ihren Weg gehen, sich nicht unterkriegen lassen, ihre Passionen verfolgen und ihre Träume verwirklich, gleich ob sie dafür bewundert oder belächelt werden, inspirieren mich. Neid ist mir fremd und zutiefst zuwider und ich geize auch nicht mit Lob, wenn mir etwas gefällt und/oder mich etwas berührt. Ich habe keine Angst davor, dass der andere vielleicht einen Höhenflug bekommt, wenn mein Feedback überschwänglich ist. Solange ich meine, was ich sage. Gut, sobald mir etwas gegen den Strich geht, gebe ich das ebenso ungefiltert kund. Damit mache ich mir sicher nicht nur Freunde. Aber ich selbst möchte auch gerne authentische Rückmeldungen und kein verhaltenes, unterkühltes „Ganz nett“, bei dem ich mir aussuchen kann, ob ich es mit „Scheiße“ oder „Klasse“ übersetzen möchte.

Aber im Grunde liegt das Problem hier wohl eher bei mir als bei meinem Umfeld. Mit Schrecken stelle ich immer wieder fest, wie leicht ich mich beeinflussen, irritieren und runterziehen lasse. Inzwischen komme ich zwar schneller auf die Beine als früher, aber von innerer Gelassenheit kann keine Rede sein. Irgendwie bin ich immer noch Null gefestigt und das ist wohl auch ein Punkt, der mich nicht schlafen lässt.

Zwar versuche ich, meinen Töchtern diese Sicherheit, dass sie super sind, so wie sie sind und dass sie sich von anderen nicht beirren lassen sollen, zu vermitteln und ich denke, sie spüren auch, dass das meine ureigene Überzeugung ist, aber wenn sie so gestrickt sind wie ich, wird dennoch ein Quentchen Zweifel bleiben. Und dieses Quentchen kann einem das Leben zur Hölle machen.

3 Kommentare

  1. Milou

    Da in euren Töchtern Gene von euch beiden schlummern, wird es wohl so sein, dass deine Töchter gewisse Wesenszüge von dir aufweisen, aber eben auch welche von M., die sich von deinen sicherlich unterscheiden. Damit muss es also gar nicht so kommen, wie du befürchtest. Und die Erziehung spielt da auch noch eine große Rolle. Ich denke, ihr macht das alles schon ganz richtig 🙂

    • Federfarbenfee

      Ja, da hast du wohl recht, liebe Milou. M. ist defintiv der ruhigere und gelassenere Pol von uns beiden. Er ist ein Meister der Abgrenzung und destruktive Fahrten im Gedankenkarussell gibt es bei ihm nicht. Er wusste beispielsweise gar nicht, dass „nichts denken“ eine kontemplative Art der Meditation ist und viele Menschen das erst mühsam lernen müssen. Er macht es einfach intuitiv zum Abschalten. Schon immer. Ich z.B. kann das gar nicht. Nichts denken. Wäre aber ein machtvolles Instrument im Kampf gegen die Schlaflosigkeit. Ja, ich hoffe inständig, dass unsere Töchter da auch was von ihm haben. Wettkämpfe, Konkurrenzdenken und Neid kann er jedoch ebenso wenig leiden wie ich. Bedenke: Wir sind beide am gleichen Tag geboren und ich bin jemand, der schon glaubt, dass an Astrologie etwas dran ist. Er auch. Insofern sind wir uns in vielen Bereichen auch extrem ähnlich. Unser größter Unterschied ist wohl, dass er ein Mann ist und ich eine Frau. 🙂

      • Milou

        Nichts denken…habe ich auch im Rahmen meines kurzen Exkurses in die Meditation versucht…das ist tatsächlich richtig Arbeit. Oft merkt man ja gar nicht, dass man wieder denkt 🙂 Der Unterschied zwischen Mann und Frau macht es manchmal aus 😉 Liebe Grüße

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