Spannend soll er sein. Schmackhaft, dabei handlich und leicht verdaulich.  Der Köder, den Autoren, Verleger und vor allem Marketingspezialisten auswerfen, um potentielle Leser zu locken und zum Kauf zu bewegenPrägnanz ist wichtig. Den Inhalt des Buches in wenigen Worten zusammenfassen. Nicht zu viel verraten, dabei aber keinesfalls in vage Allgemeinposten abdriften. Die Rede ist vom Klappentext und der Kurzbeschreibung auf der Rückseite des Schutzumschlages.  In meinen kühnsten Träumen hätte ich nicht erwartet, dass es so schwer ist, diese wichtige Botschaft zu formulieren und gleichzeitig so einfach, an wenigen Zeilen geradewegs zu verzweifeln.

Im Internet kursieren unzählige Anleitungen zur Erstellung eines aussagekräftigen Werbetextes. Daher fühle ich mich nicht dazu bemüßigt, diese Tipps zum hundertundeinten Mal aufzuwärmen und Euch dann einen völlig verkochten Eintopf als Rezeptinnovation des Jahres zu präsentieren.

Vielmehr möchte ich hier zeigen, wie ich mich an diese anspruchs- und mühevolle Aufgabe herangetastet und mich von meiner provisorischen Ursprungsversion zur aktuellen Fassung vorgearbeitet habe. Mein Text ist ein Hybrid aus Klappen- und Buchrückseitentext. Da ich meine Geschichte derzeit lediglich als Blogroman und zeitgleich auf Wattpad veröffentliche, muss ein Text für beides stehen.

Klappentext_1

Klappentext_aktuell

Wer den ersten Text besser fand, darf an dieser Stelle zu lesen aufhören und mein Vorhaben als gescheitert betrachten.  Was ich während dieser intensiven Textarbeit gelernt habe, ist unter Anderem auch dies: Die Geschmäcker sind verschieden und es ist schier unmöglich, es allen recht zu machen.

Mir jedenfalls erschien meine Ursprungsfassung zu schnarchig und öde. Keine Spannung. Nichts Konkretes. Nur unverbindliches Blabla, das einschläfernd vor sich hinplätschert. Ich wollte ein bisschen mehr Drama, ein bisschen mehr Sexappel, ein bisschen mehr Tempo, sowie viel mehr Lebendig- und Anschaulichkeit. Außerdem war es mir ein Bedürfnis, die Dreierkonstellation zwischen Luis-Priska-Ranieri zumindest anreissen.

„Kurz, bevor sie zu sich kommt, spürt sie, dass der Druck auf ihrer Brust nachlässt. Als sie die Augen aufschlägt, sieht sie einen gekrümmten, dunklen Schatten an der Zimmerdecke. Mit spinnenartigen Bewegungen huscht er davon.«

Gegen Priskas chronische Schlaflosigkeit und nächtliche Panikattacken können auch Tabletten nicht mehr viel ausrichten. Doch erst, als ihre vierjährige Tochter plötzlich Gespenster sieht und kurz darauf in Lebensgefahr gerät, ist Priska bereit, Ursachenforschung zu betreiben. Ihr Mann Luis ist ihr dabei keine große Hilfe. Er kann oder will ihr nicht folgen in eine mystische Welt, jenseits der vertrauten Wirklichkeit. Aber dort wartet schon ein anderer: Ranieri, Priskas verstorbene Jugendliebe. Existiert er nur in ihren Träumen oder ist er real? So real, wie ein Geist es eben sein kann? Was ist echt und was Einbildung? Wo kapituliert der Verstand zugunsten des Wahnsinns? Gemeinsam mit ihrer Tochter begibt sich Priska auf eine Reise in ihre Vergangenheit. Und sie muss sich beeilen. Die Dunkelheit naht. „

Diesen ersten, zugegebenermaßen recht umfangreichen, Wurf einer neuen Version habe ich noch im Alleingang ausgebrütet und im Anschluss in der Werkstatt des Deutschen Schriftstellerforums zur Diskussion gestellt. Das DSFO ist bekannt für seine knallharten Kritiker, die einen direkt und ohne Weichspüler in die Mangel nehmen. Und das war mir gerade recht.  Schließlich wollte ich meine Text so aufpolieren, dass er am Ende richtig fetzt. Jede potentielle Schwachstelle sollte aufgespürt und eliminiert werden und sei sie auch noch so klein.

Das Textzitat war offensichtlich nicht so der Knüller. Das habe ich auch selbst recht zügig eingesehen. Also weg damit. Die Erwähnung des Konflikts zwischen Luis und Priska stieß ebenfalls nicht auf viel Gegenliebe. Zu wenig spannend. Lieber auf einen Hauptkonflikt fokussieren. Trotzdem konnte ich mich bisher nicht von dieser Passage trennen. Ich denke, dass dieser Aspekt für einige Leser durchaus interessant sein und zum Lesen „anstiften“ könnte. Ich behalte mir aber vor, diesen Punkt gegebenenfalls doch noch rauszuschmeißen.

Ich habe mich an einem Vorschlag, der meinen Text etwas ummodelte,  entlanggehangelt und diesen meinerseits nochmals etwas umgestaltet. Nach etwas Hin und Her kamen dann folgende Zeilen zustande:

„Selbst Tabletten helfen nicht mehr gegen Priskas Panikattacken und ihre chronische Schlaflosigkeit. Als ihre vierjährige Tochter plötzlich Gespenster sieht und kurz darauf in Gefahr gerät, beginnt sie, ihren Problemen auf den Grund zu gehen. Priskas Mann Luis drängt auf eine Psychotherapie. Doch Priska lässt sich lieber von ihren Träumen und ihrer verstorbenen Jugendliebe Ranieri leiten. Existiert er nur in ihrem Kopf oder ist er real? Die Konflikte mit Luis häufen sich. Dennoch folgt sie weiter ihrem Weg, der sie nicht nur in die Vergangenheit und die mythenumwobene Bergwelt der Dolomiten, sondern auch an die Grenzen der vertrauten Wirklichkeit führt. Denn eines weiß sie genau: Ihr bleibt nicht mehr viel Zeit.

Das Tablettenthema schien ein spannenderer Einstieg zu sein als die chronische Schlaflosigkeit und die Panikattacken. Doch aus zwei Gründen habe ich mich von dieser modifizierten Einleitung späer wieder abgewandt: Zum Einen entspricht die Formulierung „Selbst Tabletten helfen nicht mehr“ nicht mehr dem tatsächlichen Buchinhalt. Schließlich kann sich Priska mittels der Tabletten durchaus einige Stunden Schlaf ermogeln. Ob sie das bei der Lösung ihrer Probleme weiterbringt, ist eine andere Sache. Zum Anderen hinterließ der tablettenlastige Einstieg beim ein oder anderen Forenmitglied fälschlicherweise den Eindruck,  dass Medikamentenge- und missbrauch der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte sei.  Also habe ich schlussendlich doch wieder die chronische Schlaflosigkeit und die Panikattacken an den Anfang gestellt. Dass das Adjektiv „chronisch“ zwar Langweile erzeugen mag, aber trotzdem unerlässlich ist, zeigte die weitere Diskussion. Eine akute, kurzfristige Insomnie ist wesentlich leichter zu behandeln und hat bei Weitem nicht so einen massiven Leidensdruck zur Folge wie eine langjährige, chronische Insomnie.

Weiterhin hat mir nach einer gewissen Bedenkzeit auch der Ausdruck „an die Grenzen der vertrauten Wirklichkeit“ nicht mehr wirklich behagt, da Priska diese Grenzen sehr schnell hinter sich lässt.

Nachdem ich den Konflikt mit Luis unbedingt im „Teaser“ mit drin haben wollte, habe ich versucht, diesen möglichst elegant in den neuen sprachlichen Kontext einzubauen, aber das Ergebnis wirkt eher zwanghaft bemüht und mit der Psychotherapie mache ich ein neues Fass auf, dass eigentlich im hinterletzten Kellereck gut aufgehoben war. Die Therapiekiste spielt, wenn überhaupt, eine nur sehr untergeordnete Rolle.

All diese Punkte haben mir gezeigt, dass es wichtig ist, Tipps und Vorschläge erstmal setzen zu lassen.  Nur der Autor selbst weiß, wo die Reise hingehen soll. Meistens zumindest. Der Anfangsenthusiasmus angesichts wohlklingender Alternativvorschläge kann einen aber dazu verleiten, sich völlig zu vergaloppieren und beim Feintuning des Klappentextes vorübergehend den eigentlichen Inhalt des Buches aus den Augen zu verlieren.  Mir jedenfalls ist es so ergangen.

Dabei war ein Großteil der Ratschläge wirklich äußerst hilfreich.

Insbesondere die Tipps des Forenmitglieds „Willebroer“ haben mir viel gebracht. Ich erlaube mir, ihn an dieser Stelle zu zitieren:

„….

Es ist ein großer Unterschied, ob das Verhalten von Luis und ihr Verhältnis zu ihm die Geschichte tragen soll oder ob es die Frage der anderen Realität ist – Traum oder Wirklichkeit bzw. Traum oder „echter“ Geist (wonach es bisher noch am ehesten aussieht). Oder vielleicht die Reise in die Vergangenheit und die geheimnisvollen Dolomiten mit irgendwelchen mystischen Einflüssen.

Jedes dieser Motive kann das tragende Element sein. Die anderen Themen würden dann keinesfalls entfallen, sondern etwas zurückstehen und quasi als „supporting actors“ das Hauptmotiv mittragen. Natürlich auch für mehr Spannung sorgen (aber bitte NICHT für Verwirrung – außer für Prisca selbst).

Eine solche Prioritätensetzung sollte sich dann auch im Klappentext widerspiegeln. Nimm also die wichtigste Aussage und gebe sie in ein oder zwei Sätzen wieder. An diese kannst du dann weitere Informationen anhängen, die die Geschichte anschaulicher machen. Zum Beispiel die Dolomiten, selbst wenn sie keine so zentrale Rolle spielen und sogar austauschbar sind. Aber sie erzeugen ein Bild, in dem der Leser sich eher niederlassen kann als in eher abstrakten Begriffen wie „Angst“, „Gefahr“, „Traum oder Realität“.

Im Idealfall enthält dann der Klappentext je einen Repräsentanten für jeden erzählerischen Aspekt: Person, Ort, Konflikt, Ausweg.

Beispiele:
Person: Prisca
Ort: Dolomiten
Konflikt: Traum oder „echter“ Geist
Ausweg (natürlich nur als Andeutung): Reise in die Vergangenheit, Jugendliebe als Schutzengel, vielleicht doch eine Psychotherapie, neues Verhältnis zu Luis usw. usf. 

… im Grunde kann man hier zwei gegenläufige Methoden anwenden: Das Brainstorming, wo man im Zweifelsfall etwas mehr dazuschreibt und hinterher rigoros kürzt, und die Aufbaumethode, wo man nur einen Kern herausarbeitet und den dann wieder mit dem nötigen Fleisch einkleidet.

…“

Quelle: Deutsches Schriftstellerforum – http://www.dsfo.de/fo/viewtopic.php?t=57387

Und weil es so schön ist, zitiere ich mich selbst auch gleich noch ;-):

„….

Weitere Hinweise, die ich bei meinen Änderungen bedacht habe:

Zu häufiger Perspektivenwechsel
Falsches Bild einer Protagonistin, die sich durch ihr Leben träumt und ihre Familie dabei vergisst
Gefahr zu ungenau beschrieben
„Problemen auf den Grund gehen“: Ausgelutschte Floskel
„Als ihre vierjährige Tochter plötzlich Gespenster sieht und kurz darauf in Gefahr gerät, beginnt sie, ihren Problemen auf den Grund zu gehen“: Zusammenhang nicht klar
Wieso bleibt ihr nicht viel Zeit? Was bedroht sie?
Es muss erkennbar sein, um welches Genre es sich handelt.

Wie von Willebroer vorgeschlagen, habe ich versucht, mich auf den Hauptkonflikt zu konzentrieren und diesen mit der „Kernmethode“ einzufangen. Anschließend habe ich mir mittels „Brainstorming“ überlegt, was ich gerne noch mit drin hätte und den Kerngedanken entsprechend unterfüttert. Ich weiß, dass es nicht angedacht ist, beide Methoden zu kombinieren, aber so bin ich am besten vorangekommen.

Kernmethode:

Zusammen mit ihrer Tochter begibt sich Priska auf eine Reise, die sie zu den Ursprüngen ihrer Insomnie und über die Grenzen der vertrauten Wirklichkeit hinausführt.  

Brainstorming:

Panikattacken und chronische Schlaflosigkeit
Selbst Tabletten helfen kaum noch.
Vermeintliche Trugbilder quälen sie. Verdrängung.
Phantome / dunkle Schatten greifen auf ihre Tochter über.
Elena sieht Gespenster.
Luis will oder kann Priska nicht in die mystische Welt folgen.
Ranieri versucht, über sie und in Priskas Träumen, Kontakt zu ihr aufzunehmen.
Priska sieht sich in der mythenumwobenen Bergwelt der Dolomiten dunklen Mächten gegenüber.

Neuer Text:

Panikattacken und chronische Schlaflosigkeit machen Priska das Leben zur Hölle. Dunkle Phantome hausen in ihrem Unterbewusstsein und schüren ihre diffusen Ängste. Als ihre Tochter plötzlich Gespenster sieht und Priskas Alpträume zu einer echten Bedrohung für sie beide werden, stellt sie sich ihren Dämonen auf eigene Faust. Sie begibt sich auf eine gefährliche Gratwanderung zwischen Traum und Realität, Vernunft und Wahnsinn, Leben und Tod. Priskas Ehemann kann oder will ihr nicht folgen in eine Welt jenseits der vertrauten Wirklichkeit. Dort wartet bereits ihr verstorbener Jugendfreund auf sie. In den Dolomiten, den mythenumwobenen Bergen ihrer Kindheit, nähert sich Priska dem Ursprung ihrer Insomnie. Ein unheilvoller Pakt mit einer Macht, so alt wie die Menschheit selbst, besiegelte schon vor langer Zeit das Schicksal ihrer Familie. Doch Priska ist bereit, zu kämpfen. Auf dem Spiel steht nicht nur ihr eigenes, sondern auch das Leben ihrer Tochter.

…“

Das darauffolgende Feedback veranlasste mich dazu, noch etwas Feinschliff vorzunehmen. So landete ich dann schlussendlich bei meiner aktuellen Version:

Klappentext_aktuell

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