Von jung und angejahrt in Wort und Bild

Gespenster

Als das Eiliensche mir ihr neuestes Werk präsentiert, muss ich erst einmal schlucken. „Willst Du mir erzählen, was Du da gemalt hast?“ „Ja. Das da ist ein Spenstermann.“ Meine Tochter deutet eifrig auf die schwarze Gestalt in der Mitte. Das Gesicht wirkt auf mich sehr plastisch und eindringlich. „Und was hat der Spenstermann da in der Hand?“ „Das ist ein…“ Sie sucht nach einem Wort und runzelt dabei die Stirn. Dann öffnet sie den Mund und es kommt etwas heraus, das klingt wie „Schawala“. „Hm…“ Im Geiste gehe ich alle Begriffe durch, die phonetisch dazu passen könnten. Aber mir fällt kein Wort ein, das annähernd so klingt und Sinn macht. „Kein Schwert, oder?“, unternehme ich einen lahmen Versuch. „Nein!“ Entgegnet das Eiliensche entrüstet. „Ein SCH-A-W-A-L-A“. Sie betont die Silben überdeutlich und sieht mich an, als hätte ich noch maximal eine bereits erlöschende Kerze im Leuchter. „Und da ist das Spensterkind.“ Gemeint ist das kleine dunkle Wesen unten rechts, das die Arme in Richtung Gespenstermann zu heben scheint.

Das Eiliensche weiss, dass ich ein Buch schreibe, aber nicht, um was es geht. Und ich achte  penibel darauf, dass sie in meinen Gesprächen mit M. nichts aufschnappt. Noch kann sie nicht lesen. Wäre auch etwas früh mit knapp 3 Jahren.  Doch sie ist fasziniert von Büchern und will unbedingt teilhaben an  der Welt des geschriebenen Wortes.  Es stört sie sehr, dass sie derzeit auf uns angewiesen ist und die Buchstaben nicht alleine zum Leben erwecken kann. Natürlich liebt sie es, wenn wir ihr vorlesen, aber sehr oft meint sie dann sehnsüchtig: „Ich will auch lesen lernen.“

Oft verlangt sie, dass ich bestimmte Worte  für sie auf`s Papier schreibe und sie versucht dann, diese nachzumalen. Wenn es sich ergibt, zeige und erläutere ich ihr, aus welchen Buchstaben das Wort besteht.  Derzeit sind das alles Hieroglyphen für sie.  Und sie hat doch noch Jahre Zeit, um Schreiben und Lesen zu erlernen. Aber erkläre das mal einer meinem ungeduldigen Kind.

Jedenfalls bin ich etwas besorgt über ihr reges Interesse an Geistern, gruseligen Begebenheiten, Stimmungen und Erzählungen. Ich weiss, was eine ausgeprägte Phantasie aus einer harmlosen Geistergeschichte machen kann.  Nein, davor will ich das Eiliensche bewahren, soweit und solange es in meiner Macht steht.

Meinen Selbstschutz allerdings werde ich für meine Geschichte bis zu einem gewissen Grad aufgeben müssen. Und es bereitet mir nicht nur behagliche Gedanken, dass zu später Stunde Realität und Illusion sich vermengen und die Protagonisten meiner Erzählung mich bei jedem Handgriff begleiten und mir bis auf die Toilette folgen werden.  Was  ist die Alternative? Ein fluffig-lockerer Liebesroman? Nein, ich glaube, das liegt mir nicht.

Ich muss an das antiquarische Buch denken, dass meine Mutter mir vor einiger Zeit einmal zeigte. Sie hatte es von einem Nachbarn geliehen bekommen.  So alt, dass die brüchigen, vergilbten Seiten einem schon fast in der Hand zerbröselten.  Der Titel war harmlos. Ich komm nicht mehr drauf. Aber zwischen hausbackenen Tipps aus Großmütterchens Mottenkiste fanden sich einige Rezepturen, die teils sehr ominöse Formeln enthielten.  Während ich dieses eigenartige Buch durchblätterte, fragte ich mich, ob das wirklich so eine gute Idee wäre mit meiner Geschichte.  Im Hinblick auf meine eigene Psyche.  Doch ich hoffe, dass ich die Fäden selbst in der Hand behalte und mein Buch eines zum Wohlfühlen wird. Eines, das man gerne um sich hat. Keines, das man aus lauter Furcht am liebsten in das hinterste Eck seines Bücherregals verbannen oder so schnell wie möglich loswerden will.

 

 

2 Kommentare

  1. Annett Thommes

    Die Absicht meines Kommentares ist nicht zu verharmlosen, aber ich fühle mich an meine Tochter erinnert. Sie redete offen mit mir, soweit ich das nachvollziehen kann, dass ihr Wesenheiten begeneten. Es waren wohl nur Schatten. Aber nachts träumte sie die Zukunft. Oft wußte sie im normalen Tagesablauf oder auch bei bevorstehenden Lebensereignissen wie die Lebens-geschichte weiter geht. Sie hielt dem stand bis sie etwa neun Jahre war. Dann machte es ihr Unbehagen und Angst. Wir redeten über Lösungen und entschieden uns dafür, dass sie ein klares NEIN-ICH-MÖCHTE-DAS-NICHT-MEHR ausspricht. Und das half ihr tatsächlich.
    Ich, als Mutter möchte aber sagen, dass die Verleugnung oder Ablehnng ihrer „Gabe“ ihr für ihren Lebensweg nicht unbedingt gut getan hat. Ganz liebe Grüße

    • Federfarbenfee

      Hallo Annett, ich kann sehr gut nachvollziehen, dass Deine Tochter diese Erscheinungen geängstigt und verstört haben. Und es ist gut, dass Ihr gemeinsam eine Art „Zauberformel“ finden und ihr damit helfen konntet. Wie alt ist Deine Tochter jetzt, wenn ich fragen darf? In meiner Familie gab es schon immer eine große Faszination, was Spuckphänomene angeht. Ich bin mit Geistergeschichten, teils erfunden, teils auf sogenannten wahren Begebenheiten gründend, aufgewachsen. Für mich persönlich war das immer eine Gratwanderung. Zwischen Interesse und Furcht. Mit meinem Buch möchte ich natürlich in erster Linie unterhalten. Zu einem Großteil ist es pure Fiktion. Allerdings versuche ich damit auch, mich meinen Kindheitsängsten aus einer anderen Perspektive zu nähern. (Was mein Eliensche angeht, bleibe ich hellhörig. Aber ich tue trotzdem mein Möglichstes, um sie nicht mit diesen Themen zu konfrontieren, ehrlich gesagt. Wenn sie jedoch von sich aus darüber reden will, bin ich natürlich für sie da.) Herzliche Grüße zurück

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