Goethes „Erlkönig“ ist eines dieser Gedichte, die mich schon als kleines Mädchen in ihren Bann gezogen und nie wieder losgelassen haben. Gleichwohl, wie oft dieses Gedicht in den vergangenen Jahrhunderten rezitiert und teils auch verhunzt wurde, ist seine magische Wirkung auf mich nie verblasst.  Sie ist derart intensiv, dass ich es nicht wage, die Worte hier niederzuschreiben. Nicht nur, wenn der Nebel aufzieht, muss ich an diese furchteinflößende, gespenstische Gestalt des Elfenkönigs und an den armen Knaben denken, der in des Vaters Armen hätte sicher und geborgen sein müssen und es doch nicht war.

Als ich vor einigen Tagen mit M., meinen Kindern und Eltern – das klingt irgendwie eigenartig, als wären wir in Heerscharen unterwegs gewesen,  in der Einöde nahe ihres Gehöfts spazieren ging, stellte ich mir zum wiederholten Male die Frage, warum diese Ballade mich nach wie vor im Innersten berührt.  Um uns herum waberte der Nebel. Bäume und Sträucher erschienen aus dem Nichts und streckten ihre dürren Arme nach uns aus. Ja, selbst der mobile Schießstand des Jägers verwandelte sich in eine dunkle, rätselhafte Kreatur. Eine schaurig-schöne Atmosphäre, welcher jedoch nichts Bedrohliches anhaftete. Wahrscheinlich, weil wir uns, umgeben von unseren Lieben, behütet fühlten.

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