Von jung und angejahrt in Wort und Bild

Tagesnotizen #15: Der Kuschelfaktor

Brauchen Buch und Leser ein gewisses Ambiente, um sich vollends entfalten und das Lesen zu einem Fest für alle Sinne machen zu können?

Oder sind Umgebung, Medium und sonstige Dreingaben völlig gleichgültig, da man sowieso nichts mehr von alldem wahrnimmt, sobald das Buch einen verschluckt hat?

Vor einigen Jahren noch hätte ich, ohne zu zögern, die zweite Antwort gewählt. Selbst stehend, in einer vollgestopften S-Bahn, konnte ich ohne Weiteres binnen Sekunden in die Buchwelt abtauchen. Den Bieratem meines Hintermanns im Nacken und den Rucksack des Typen vor mir im Magen. Links neben mir eine Clique schnatternder Teenager und rechter Hand ein brüllendes Kleinkind. Alles kein Problem. Solange noch genügend Platz war, mein Buch aufzuschlagen und umzublättern.

Heute ist das irgendwie anders. Sei es, weil der Alltag schon turbulent genug ist, oder weil ich einfach alt werde. Ich brauche jetzt Ruhe beim Lesen. Und das ist lediglich die Mindestvoraussetzung.

Das perfekte Szenario: Ich liege im Bett. Allein. Gestützt von weichen Kissen. In Händen halte ich ein echtes, papierenes Buch. Neben mir eine große Tasse mit dampfendem Caramel Macchiato und Schokolade.  Die mir zur Verfügung stehende Zeit ist unendlich.

Etwas weniger perfekt, dafür einen Hauch realistischer: Die Zeit ist begrenzt. Und die Schokolade verkneife ich mir.

Nicht mehr perfekt, dafür pragmatisch:  Statt zum gebundenen Buch greife ich nach dem Ebookreader.

Handlich, aber ungemütlich: Ich schnappe mir das Smartphone. Etwa, um Wattpad-Geschichten zu verfolgen.  Signifikante Sinnesbeschneidung. Ich komme nicht mehr so recht auf meine Kosten. Auch wenn es gute Erzählungen sind: Das Handy ist kein Buch. In meinen jungen Jahren wäre mir das allerdings Jäckchen wie Höschen gewesen. Leider gab es damals noch kein Wattpad. Ich hätte mich im Paradies gewähnt.

Völlig außerhalb der Komfortzone: Ganze Bücher am Laptop oder Fest-PC lesen.

Das Doppel-Aus: Das Buch ist nur auf Smartphone, Pad oder PC verfügbar und noch nicht einmal vollständig. Um mich meiner Lektüre hingeben zu können, muss zumindest theoretisch die Möglichkeit bestehen, das Buch in einem Rutsch durchzulesen. (Für Blogbeiträge und journalistische Artikel gelten übrigens andere Gesetze. Die lese ich gerne auf Handy oder PC.)

Warum erwähne ich das alles? Nun, ich überlege, ob es wirklich so eine glückliche Idee war, meinen Erstling als Blogroman zu veröffentlichen. Mit Sicherheit existieren noch mehr genusssüchtige Phlegmatiker von meinem Kaliber. Und diese Leserschaft wird mir beim Blogroman verwehrt bleiben. Ich mache mir da nichts vor, aber es stimmt mich nachdenklich. Zugleich bin ich dankbar für all die flexiblen  und fortsetzungsromanaffinen Besucher, für die weder Luxus noch Medium eine Rolle spielen, solange die Geschichte sie anspricht.  Und das, obwohl die Intervalle zwischen den einzelnen Kapiteln derzeit einen Monat betragen. Andere schreiben in der Zeit ein ganzes Buch.

Morgen Abend kommt Kapitel 11. Hier schon mal ein kleiner Vorgeschmack:

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Zum Abschluss noch ein wenig Alltagsgeplänkel. Schließlich heißt das Ding hier „Tagesnotizen.“

Nach zwei Wochen war ich heute zum ersten Mal wieder im Fitnessstudio. Die nicht enden wollenden Infekte hatten mich diesbezüglich völlig ausgeknockt. Und ich hatte schon ordentlich Muffensausen, was die Eingewöhnung meines Ämmales im Miniclub angeht. Ich sah mich, wieder bei Punkt 0 angelangt, an der Kaffeebar sitzen und das wütende Kind nach zehn Minuten abholen.  Einmal habe ich mich tatsächlich krank ins Studio geschleppt. Allein die Treppen – mit dem Ämmale an der Hand – waren eine sportliche Herausforderung. Doch als ich hechelnd meinen Cappuccino schlürfte, wurde ich prompt von einer engagierten Trainerin gefragt, ob ich in den Sitzstreik getreten wäre. Die Frage hatte sich allerdings erledigt, als ich den Mund aufmachte. Mit der Stimme hätte ich den Sitzstreik auch in die Geisterbahn verlegen können und wahrscheinlich noch Geld dafür bekommen. Jedenfalls lief es wider Erwarten ganz gut heute. Morgen werden wir wieder hingurken.

Das aktuelle Lieblingswort meiner Zweitgeborenen ist übrigens „Blume“. Sie erwähnt es ungefähr dreissig Mal pro Minute. Ihr Vokabular umfasst grob geschätzt 20 Worte, aber von „Blume“ kann sie sogar den Plural bilden. Und richtig anwenden!

Was mein Abspeckvorhaben angeht, möchte ich mich meines heutigen Posts bei Facebook bedienen – meine Eloquenz leidet gerade unter akuter Schwindsucht:

Es gibt tagsüber durchaus gute Ansätze – siehe links. Und dann fährt mir nachts wieder rechts außen in die Parade.

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2 Kommentare

  1. Uli

    Das mit dem abschalten könnte auch an den Mutter/Eltern Hormonen (oder Konditionierung) liegen. Die macht meine Frau für den gleichen Effekt bei ihr verantwortlich.
    Ich dachte, der Blog-Roman ist so eine Art „Early Access / Beta Test“-Version eines potentiellen Buches der Zukunft mit ähnlicher Handlung? Hab mich schon drauf gefreut in eun paar Jahren das ganze bequemer und in einem „Rutsch“ zu lesen (binge reading?).

    • Federfarbenfee

      Hallo Uli – Hormone sind immer gut. Oder auch nicht. 😉 Ja, Beta-Version trifft es schon ganz gut. Ich habe vor, nur den ersten Teil des Romans online zu stellen. Inhaltlich weiß ich, wo der Bruch kommt. Aber wie viele Kapitel und Seiten bis dahin noch folgen, kann ich erst beurteilen, wenn es soweit ist. Sobald ich mit dem zweiten Teil starte, werde ich eventuell parallel den Schreibkurs von Rainer Wekwerth absolvieren. Ein erster Schritt, um das Beste aus der Geschichte herauszuholen. Und ich fände es auch reizvoll, die Rohfassung hier einem Text gegenüber zu stellen, der schon eine gewisse Professionalisierung erfahren hat. Sobald das Manuskript dann fertiggestellt ist, geht es ans Eingemachte. Das gilt auch für Teil 1. Die Überarbeitung und das Lektorat werden dem Ganzen dann hoffentlich den Feinschliff verpassen. Und dann wird der Roman als komplettes Buch erscheinen. Wahrscheinlich auf dem Weg des Self-Publishing, da für einen Verlag der bereits veröffentlichte Teil nichts als verbrannte Erde ist. Binge reading: Genau! 😀

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