Von jung und angejahrt in Wort und Bild

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Am Anfang war Lila: Kapitel 14

Am Traummeer

Dort, wo die Ausläufer der schäumenden Brecher sanft ans Ufer schwappen, sitzen zwei Kinder. Ein Junge und ein Mädchen. Sie kehren Priska den Rücken zu. Etwas an ihnen ist anders als an den imaginären Gestalten, die Priska bewusst in ihren Traum gepflanzt hat. Die Sonne blendet sie. Doch die Umrisse der Beiden erscheinen ihr vertraut. Sie hebt die Hand und schirmt ihre Augen ab. Zuerst fällt ihr das blonde Haar des Jungen auf. Es leuchtet golden im gleißenden Licht und erinnert sie an Ranieri. Dann erkennt sie die rote Schleife auf dem Kopf des Mädchens. Und das gerüschte Kleid, welches die kleine Gestalt wie einen Fächer umgibt. Der Junge trägt noch immer die dunkle Jeans und das bunte T-Shirt, auf dem sich vorhin noch zahlreiche Fliegen tummelten. Als hätten sie gespürt, dass sie beobachtet werden, drehen sich Jeremias und Eleonore gleichzeitig um und winken ihr zu. Egal, wie trügerisch diese Idylle auch sein mag: Priska freut sich, dass sie da sind. Das Geistermädchen und der kleine Junge, der gerade an der Schwelle zum Jenseits entlangbalanciert. Sie winkt zurück. Die Kinder lächeln. Es ist das erste Mal, dass Eleonore so unschuldig wirkt, wie sie früher einmal gewesen sein muss. Ein kleines Mädchen, das mit ihrem Freund Sandburgen baut. Keine seelenlose Wachspuppe auf einem alten Foto. Keine Ansammlung negativer Energie. Keine düstere Erscheinung mit dunklen Höhlen statt Augen und einem hämischen Grinsen im flackernden Antlitz.

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Tagesnotizen #19: Love is in the air

Romantik zwischen Stinkewindeln,  ausgelutschten Weintrauben, gemeingefährlichen Legosteinfallen, einem Kind, dessen innovative Ideen im Zweiminutentakt zur fiesen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Eltern werden und einem weiteren Kind, das sich gerade konzentriert damit abmüht, die Fugen im Couchtisch mit Bananenbatz zu kitten?

Ja, es ist möglich! Mein Mann hat mir heute eine ausgeklügelte Rezeptur mit Herzklopfgarantie präsentiert.

Noch nie sind mir seine blauen Augen trotz des hauchzarten Müdigkeitsschleiers strahlender erschienen, sein mit Bröseln aufgepeppter Dreitagebart unwiderstehlicher und seine Schultern in dem von Kinderfettfingern verzierten Sweatshirt stärker. Mein Eiliensche versuchte noch, mich davon abzuhalten, aber da bin ich ihrem Papa schon um den Hals gefallen. Ein inniger Kuss und ein intensiver Austausch von diversen Erkältungsviren unterschiedlicher Abstammung folgten. Das heisere Timbre in M. Stimme hat übrigens durchaus seinen Reiz. Jedenfalls vollführten die Schmetterlinge in Mamas Bauch tollkühne Loopings, während zwei völlig verdatterte Kinder Zeugen von Zärtlichkeitsbekundungen wurden, die ausnahmsweise nicht ihnen galten.

Was war passiert? Drehen wir die Uhr ein paar Stunden zurück. Zum Start des Romantifizierungsprojekts:

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Am Anfang war Lila: Kapitel 13

Tanz mit dem Dämon

Eine ungeheure Schwäche hat von Priska Besitz ergriffen. Marlene ist ein Dämon, der mit Engelszungen spricht. Trotzdem ist Priska geneigt, sich von ihren säuselnden Worten einlullen zu lassen. Sie ist so unsagbar müde. Zu müde sogar, um Angst zu verspüren. Allein die Liebe zu ihrer Tochter hält ihren Lebenswillen aufrecht. Bevor sie sich dem Tod zuwendet, der neben ihr geduldig auf seinen Einsatz wartet, wirft sie einen Blick in den Innenspiegel. Statt Elenas Augen begegnen ihr die des Geistermädchens. Eleonore hockt mit angezogenen Beinen neben dem Kindersitz. Die Arme hat sie um die Knie und ihre Puppe geschlungen. In einer wiegenden Bewegung schaukelt sie vor und zurück. Als wolle sie sich selbst beruhigen. Ihre Mimik kann Priska nicht recht deuten. Die Gesichtszüge des Gespensterkindes sind verschwommener als die letzten Male. Nur ihre dunklen Augen stechen hervor. Und sie sind angsterfüllt. Elena dagegen hat noch immer ihre Hände vorm Gesicht. Ob zum Schutz vor den Fliegen oder aus schierer Verzweiflung, vermag Priska nicht zu sagen. Soviel leichter wäre ihr ums Herz, wenn sie das Kind in Sicherheit wüsste. Instinktiv greift Priska nach hinten. Sie bekommt Elenas rechten Unterschenkel zu fassen und drückt ihn sachte. Ihre Tochter anzusprechen, traut sie sich nicht. Und was soll sie schon sagen: »Du brauchst keine Angst zu haben. Alles ist gut.« Nein, solche Worte helfen jetzt nicht. Sie würden alles nur noch schlimmer machen. Nichts ist in Ordnung. Inständig hofft Priska, dass Elenas Kinderseele unversehrt aus diesem Grauen hervorgeht.

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Wie schreibe ich einen fetzigen Klappentext oder eine spannende Kurzbeschreibung für die Buchrückseite?

Spannend soll er sein. Schmackhaft, dabei handlich und leicht verdaulich.  Der Köder, den Autoren, Verleger und vor allem Marketingspezialisten auswerfen, um potentielle Leser zu locken und zum Kauf zu bewegenPrägnanz ist wichtig. Den Inhalt des Buches in wenigen Worten zusammenfassen. Nicht zu viel verraten, dabei aber keinesfalls in vage Allgemeinposten abdriften. Die Rede ist vom Klappentext und der Kurzbeschreibung auf der Rückseite des Schutzumschlages.  In meinen kühnsten Träumen hätte ich nicht erwartet, dass es so schwer ist, diese wichtige Botschaft zu formulieren und gleichzeitig so einfach, an wenigen Zeilen geradewegs zu verzweifeln.

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Am Anfang war Lila: Kapitel 12

Grenzgänger

»Raus mit Euch!« Hecktisch wedelnd versucht Priska, zwei Fliegen zu verscheuchen, die vor ihrem Gesicht eine Art Balztanz aufführen. Das Fenster auf der Fahrerseite hat sie bereits geöffnet, aber die nervigen Insekten denken nicht daran, sich davon zu machen. Sie wirft einen kurzen Blick in den Innenspiegel. Elena schläft tief und fest in ihrem Kindersitz. Die rosigen Lippen sind leicht geöffnet. Priska spürt, wie sich ihr Herz wehmütig zusammenkrampft. Im Schlaf sieht ihre Tochter noch immer aus wie ein Baby. »Es ist nicht rechtens, dass dieses kleine Kind mit Geistern und Kreaturen aus düsteren Schattenwelten konfrontiert wird. Für sie sollte das Leben bunt und fröhlich sein. Frei von Sorgen und Ängsten.« Priska seufzt. Eine weitere Fliege hat sich auf Elenas rechtem Arm niedergelassen, der das kleine Feenhäuschen fest umklammert hält. »Habe ich vorhin versehentlich neben einem Misthaufen geparkt, oder wo kommen diese Viecher jetzt plötzlich alle her?« Priska fällt es schwer, sich auf die Straße zu konzentrieren. An der Windschutzscheibe tanzt inzwischen ein Fliegenquartett nach einer abstrusen Choreographie. Und draußen schüttet es wie aus Kübeln. Priska ist froh, dass die Strecke an diesem Tag kaum befahren ist. Spritzwasser und reflektierende Scheinwerfer hätten ihre übermüdeten Augen noch mehr strapaziert. Die graue Wolkendecke lässt kaum Licht hindurch. Doch Priska weiß, dass sich das Wetter schlagartig ändern kann, sobald sie den Brennerpass hinter sich gelassen haben. Sie hofft sehr darauf, bald von leuchtenden Farben und hellen, wärmenden Sonnenstrahlen empfangen zu werden. Möge die Helligkeit die Schatten der letzten Nacht vertreiben.

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Am Anfang war Lila: Kapitel 11

Ein schmaler Grat

»Als Hans mir sagte, was sie im Labor herausgefunden haben, war mir klar, dass ich Dich nicht aufhalten kann.« Luis wirkt erstaunlich gefasst. Priska schiebt den Laptop aus der Sonne und stranguliert sich dabei fast mit dem Kopfhörerkabel. Luis nimmt ihr mit seiner Reaktion den Wind aus den Segeln. Sie hat eher mit wüsten Beschimpfungen denn mit Akzeptanz oder gar Verständnis gerechnet. Verwirrt setzt sie sich. Ursprünglich wollte sie ihm noch nicht einmal mitteilen, in welcher Pension sie abgestiegen sind. Aber er hätte es ohnehin herausgefunden. Und gleich, wie sehr sie sich in den letzten Tagen in die Wolle bekommen haben: Wenn es um seine Tochter geht, wird sie Luis nie ihm Ungewissen lassen. Das hat er nicht verdient.

»Hallo Papa!« Elena, die im Schneidersitz auf dem Bett hockt und glitzernde Elfen in ihr Stickeralbum klebt, wedelt mit ihrer Rechten gen Bildschirm. Luis kann sein Kind zwar nicht hören, aber sehen. Lächelnd winkt er zurück.

»Darf ich auch mit Papa sypen?«, wendet sich das Mädchen an Priska. Die Nonchalance, mit der sich Elena auf unvorhergesehene Situationen einläßt, muss sie von ihrem Vater geerbt haben. Sobald jedoch ein Lieblingshaargummi verschollen ist oder die Butter an der falschen Stelle im Kühlschrank deponiert wird, hat das jeweils Katastrophenpotential.

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Tagesnotizen #15: Der Kuschelfaktor

Brauchen Buch und Leser ein gewisses Ambiente, um sich vollends entfalten und das Lesen zu einem Fest für alle Sinne machen zu können?

Oder sind Umgebung, Medium und sonstige Dreingaben völlig gleichgültig, da man sowieso nichts mehr von alldem wahrnimmt, sobald das Buch einen verschluckt hat?

Vor einigen Jahren noch hätte ich, ohne zu zögern, die zweite Antwort gewählt. Selbst stehend, in einer vollgestopften S-Bahn, konnte ich ohne Weiteres binnen Sekunden in die Buchwelt abtauchen. Den Bieratem meines Hintermanns im Nacken und den Rucksack des Typen vor mir im Magen. Links neben mir eine Clique schnatternder Teenager und rechter Hand ein brüllendes Kleinkind. Alles kein Problem. Solange noch genügend Platz war, mein Buch aufzuschlagen und umzublättern.

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Am Anfang war Lila: Kapitel 10

Zwischen Wahn und Sinn

»Elena, wo willst du mit meiner Orchidee hin?«

»Esmeralda braucht sie.«

Priska legt einen beherzten Sprint ein, doch das Kind ist bereits durch die Tür entschwunden. Den Blumentopf mit der hochsensiblen Miltonia moreliana unterm Arm. Die Pflanze war ein Geschenk gewesen. Prikas Qualitäten als Blumenflüsterin sind nur rudimentär ausgeprägt. Dennoch hatte sie sich sofort in die Orchidee mit den zart lila Blüten und dem anspruchsvollen Pflegebedürfnis verliebt. Tatsächlich schaffte es die fragile Schönheit, in Priskas Obhut zu überleben und zu sogar zu blühen. Bis jetzt.

Kaum hat Priska die Tür erreicht, fällt diese mit Schwung ins Schloss. In der Luft schwebt ein glockenhelles Kinderlachen. Ein leichter Luftzug streift kühl ihre Wange. Sie verschränkt fröstelnd die Arme. Wie hatte sie bloß Elenas glucksendes Gekicher mit dem Lachen des Geistermädchens verwechseln können. Nur scheinbar schwerelos ist es. Weht aus einem anderen Jahrhundert zu ihr hinüber und trägt des Todes Odem mit sich. Weitaus verstörender als das wächserne Gesicht auf der Fotografie.

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Am Anfang war Lila: Kapitel 9

Dora

Eva konnte weder ihn, noch sich selbst täuschen. Sie hatte Angst. Vor der eigenen Tochter. Denn trotz allem war sie das: Ihr Kind. Sie hatte Dora unter dem Herzen getragen und sie zur Welt gebracht. Seit acht Jahren war sie dem Mädchen eine wundervolle Mutter. Johann hegte keinen Zweifel daran, dass Eva ihre Tochter inniglich liebte. Doch war ihm nicht entgangen, wie sie Dora ansah. Er spürte Evas Unwohlsein, wenn sie gezwungen war, mit ihr alleine zu sein. Zudem sorgte sich seine Frau wegen des Getuschels im Dorf. Obgleich sie es nie zugeben würde, teilte sie insgeheim die Meinung der tratschenden Weiber.

Nachdenklich betrachtete Johann seine Tochter, die neben ihm, auf dem von der Sonne vorgewärmten Steinwall saß. Arglos lächelte sie ihn an. Die goldenen Sprenkel in ihren violetten Augen leuchteten und die gebräunten Kinderbeine baumelten über saftigem Grün. Die Ziegen grasten zufrieden und auch Dora wirkte glücklich. Eine reine Kinderseele, wie sie unschuldiger nicht hätte sein können. Er fragte sich, was die Aufmerksamkeit der Leute erregt haben mochte. Dora verhielt sich in Gegenwart von Fremden stets unauffällig. Abgesehen von ihrer sonderbaren Augenfarbe unterschied sie sich nach außen hin nicht von ihren Altersgenossen. Gleichwohl redeten die Leute. Hinter vorgehaltener Hand munkelten sie, sein kleines Mädchen sei eine Hexe. Johann plagte das schlechte Gewissen. Es verging kein Tag, an dem er sich nicht fragte, ob es klug gewesen war, jenen Pakt einzugehen, von dem nur er und Eva wussten. SIE war keine Hexe. SIE diente weder Gott noch Teufel.

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Am Anfang war Lila: Kapitel 8

Das Mädchen

Vorsichtig stellt Luis die bis zum Rand mit dampfendem Milchkaffee gefüllte Tasse neben Priskas Notebook ab. Sein Blick heftet sich auf den Monitor. »Du denkst also tatsächlich, dass das die Erklärung für deine nächtlichen Panikattacken ist?« Der Ausdruck in seinen Augen ist schwer zu deuten. Vermutlich ist er spätestens jetzt davon überzeugt, dass seine Frau nicht mehr alle Latten am Zaun hat.

Priska seufzt und nippt am heißen Milchschaum. Luis hat es nicht versäumt, den Kaffee mit etwas Karamellsirup zu verfeinern. Ein Hauch von Behaglichkeit legt sich über ihre ungemütlichen Gedanken. »Wir haben doch ausgiebig über meinen Traum von letzter Nacht gesprochen?«

Luis Miene verfinstert sich. »Dass Träume Beweischarakter haben, ist mir neu. Wenn dem so wäre, könnten wir diese Unterhaltung gar nicht führen. Denn dann hätten mich schon vor langer Zeit die schrumpeligen, grauen Männchen, die mir nachts hin und wieder begegnen, auf einen Planeten namens Numidos entführt und Hackfleisch aus mir gemacht.«

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