Von jung und angejahrt in Wort und Bild

Tagesnotizen #16: Schnörkelfische im Fiebermeer oder: Pläne sind für`n Popo

Es ist Freitag. Die Sonne scheint. M. hat Urlaub.

Plan: Wir wollen uns an Beerenshakes laben und dabei die Zehen in den kühlen Sand graben, aus dem die Kinder währenddessen Burgen bauen und Kuchen backen. Wir wollen mit ihnen durch den Irrgarten streunen und von Strohballen zu Strohballen hüpfen, sie auf Holzpferden reiten und am Wasserspielplatz herumsau(s)en lassen. Wir wollen den Stress und die schlimmen Nachrichten zumindest kurzfristig aussperren und uns einfach des Lebens freuen.

Ist: Das Eiliensche ist blasser als ihr Vanillejoghurt, den sie heute mit leidendem Gesichtsausdruck herunterwürgt und dann die Hälfte stehen lässt. Die violetten Augenringe sehen aus wie Lidschatten, den sie an der falschen Stelle aufgetragen hat. Mal abgesehen davon, dass wir so etwas gar nicht im Haus haben. Muttern ist ein Schminkmuffel. Mein zaghafter Bekleidungsvorschlag verfehlt ihren Geschmack und prompt mutiert sie zur Heulboje. Das Kind friert und auch die kleinste Geste wird im Zeitlupentempo ausgeführt. „Hoffentlich wirst Du nicht krank. Willst Du heute daheim bleiben?“ „Nein“, entscheidet meine Tochter resolut.

Wir sind spät dran und ich schenke dem lauten Knall, den der Hinterreifen meines Fahrrades bereits beim Verlassen der Einfahrt von sich gibt, zunächst keine Beachtung. Das Eiliensche sitzt noch im Anhänger. Das ist die Hauptsache. Hundert Meter weiter fahren wir jedoch nicht mehr – wir holpern polternd zentimeterweise vorwärts – und ich muss den Tatsachen ins höhnisch zwinkernde Augen blicken: Ich habe einen Platten. Also wieder umgekehrt und mit dem Eiliensche an der Hand zu Fuß in den Kindergarten gelaufen.  Sie hat Bauchgrummeln, meint sie. Trotzdem weicht sie nicht vom Kindergartenkurs ab.

Als ich mein Mädchen in der Gruppe abgeliefert habe, renne ich noch schnell zum Bäcker. Und dann wieder zurück zum Kindergarten, um eilig die obligatorische Käsebreze zur restlichen Brotzeit in den Rucksack zu stopfen. Kaum bin ich wieder zu Hause, reißt M. die Eingangstüre auf und teilt mir mit, dass ich gar nicht erst reinkommen, sondern sogleich auf dem Absatz kehrtmachen und das Eiliensche wieder abholen soll. Der Kindergarten habe angerufen und er muss gerade das Ämmale säubern, dass sich soeben bis zum Hals eingekackt hat.

Zum dritten Mal an diesem Tag mache ich mich also in Richtung Kinderhaus auf. Diesmal mit dem Auto. Das Eiliensche ist in besorgniserregender Verfassung. Zu Hause fiebert sie in kürzester Zeit auf. Sie kann nicht einmal einen Stift halten, geschweige denn ein Buch oder das Pad, das für Notsituationen wie diese vorgesehen ist. Die Schmerzen haben sich vom Bauch in den Mund verlagert.

Inzwischen haben sich auch unzählige, juckende Pusteln hinzugesellt. Wir tippen auf die Hand-Mund-Fußkrankheit. Ja, die gibt es wirklich. Am Montag werden wir wohl dem Kinderarzt einen Besuch abstatten müssen.

Gut, dass M. Urlaub hat. Während ich beim fiebernden Eiliensche Wache schiebe, fährt er mit dem Ämmale zum Orthopäden. Die Wartezeiten für einen Termin belaufen sich auf Monate und wir müssen dringend ihr linkes O-Beinchen checken lassen. Also Glück im Unglück. Ohne M. müsste ich den Termin platzen lassen.

In der Zwischenzeit ist das Eiliensche dank Paracetamol wieder ansprechbar und tatsächlich in Mal- und Bastellaune. Was wir in der fieberfreien Zeit fabriziert haben, könnt Ihr weiter unten sehen.

Wie sich herausstellt, ist es mit dem Orthopädentermin allein nicht getan. Das Ämmale braucht eine Schuherhöhung und dafür erstmal festere Schuhe als ihre heissgeliebten Clogs. Fliegender Wechsel. Ich schnappe mir meine Zweitgeborene und suche  im Schuhgeschäft adäquate Haus- und Sportschlappen zusammen, während das Ämmale die Regale mit Feuereifer umdekoriert. Anschließend müssen wir in das Sanitätshaus im Nachbarsort und ich erstmal fünfmal im Kreis fahren, bevor ich einen Parkplatz finde, der zumindest ein klein wenig näher am Ziel liegt als unser sechs Kilometer entferntes Wohnhaus. Das Ämmale ist mit Abstand die jüngste Kundin hier. Neben uns steht eine Achzigjährige mit ihrem Rollator und amüsiert sich darüber, dass das Ämmale die Schaufensterpuppe mit den Stützstrümpfen als Barbie tituliert.  Sicherheitshalber machen die netten Damen noch einen Abdruck von Ämmales Füßen mit den erschreckend schwarzen Zehennägeln. Statt im Sand durfte sie heute in der Erde wühlen. Das Ämmale zeigt sich wenig kooperativ. Im Schweiße meines Angesichts verlasse ich mit dem meckernden Dreikäsehoch an meiner Hand den Laden und laufe prompt meiner Fitnesstrainerin in die Arme.  Sie informiert mich darüber, dass der Miniclub ab nächster Woche seine Pforten wieder öffnet. Allerdings mit Hilfe wechselnder und unbekannter Betreuerinnen. Um das Ämmale an die neuen Erzieherinnen zu gewöhnen, werden wir grob geschätzt ebenso lange brauchen, wie K., unsere bisherige Betreuerin, für ihre Genesung. Ich bin hin- und hergerissen.

Die Nächte sind derzeit auch sehr unterhaltsam. Die Fieberträume des Eiliensche gestalten sich zugleich originell und abstrus. Ihre gellenden Schreie letzte Nacht fuhren uns durch Mark und Bein. Atemlos hechteten wir an ihr Bett. „Ich muss unbedingt den Kuchen retten“, schrie das Kind verzweifelt. Und das, wo sie Gebäck doch gar nicht ausstehen kann.

All das sind Lappalien. Die ich mir kaum niederzuschreiben traue angesichts dessen, was derzeit in der Welt vor sich geht und mich lähmt.

Sonne, Himmel, Regen, ein buntes Haus und eine große Blume – die Zeichnungen des Eiliensche wirken nun auch auf „Aussenstehende“ weniger abstrakt:

SonneHausBlume_Kinderzeichnung2

In diesem kleinen Büchlein haben wir eine Anregung entdeckt, die mir recht gut gefiel, da sie mich entfernt an das Zentangeln erinnerte. Mit einem Fineliner schwungvolle Kurven ziehen und diese anschließend mit Farbstiften in Fische und Wasser verwandeln.

Bastelbuch_1

Schnörkelfische

Ich bin schon recht frei in der Interpretation:

Schnörkellfische_1

Doch das Eiliensche ist noch wesentlich freier:

FischeMaedchenWasser

 

4 Kommentare

  1. Lisa von MamaKreativ

    Hallo Marianne,
    ich wollte dich übrigens fragen, ob Kinderarzt euch zum Orthopäden geschickt hat und warum. Läuft Ämmale schon gut? Emelie macht schon seit einem Monat nur 3-4 Schritten und fällt wieder runter, obwohl sie schon 1,5 geworden ist… Ich gehe mit ihr wahrscheinlich jetzt auch zum Arzt…

    • Federfarbenfee

      Hallo, liebe Lisa! Unser Ämmale haben wir wegen ihrer O-Beine dem Orthopäden vorgestellt. Mit der Kinderärztin hatten wir deswegen nur bei der U6 gesprochen. Damals war die Problematik noch beidseitig und sie meinte, das würde sich verwachsen. Nun ist es aber so, dass das rechte Bein inzwischen ganz gut aussieht, aber das linke Bein ist noch immer o-förmig und sie dreht den Fuß krass nach innen. Ja. das Ämmale läuft sicher. Sie hat mit 10 Monaten angefangen und ist jetzt auch 1,5. Aber gerade das frühe Laufen ist wohl schuld an den O-Beinen. Unsere Große war später dran und hatte nie krumme Beine. Dass Emelie noch übt, ist aber auch komplett normal. Da würde ich mir keine Sorgen machen! Da gibt es einfach eine irre große Bandbreite. Manche machen sogar erst mit 2 ihre ersten Schritte. Das Ämmale braucht jetzt eine Schuherhöhung auf der linken Seite, um das „gerade Wachsen“ zu unterstützen. Ganz herzliche Grüße von Mary

  2. Claudia

    … nicht mit Buchstaben werfen, ich habe nur Bilder angeguckt, nicht gelesen. 😉
    Die sind ja goldig geworden! *hachmach*

    Liebe Grüße, Claudia

    • Federfarbenfee

      Wieso sollte ich nach so einem netten Kommentar irgendwas nach Dir werfen wollen? Noch dazu unschuldige Buchstaben. 😉 Freut mich sehr, dass Dir die Bilder gefallen! 🙂 Herzliche Grüße von Mary

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