Von jung und angejahrt in Wort und Bild

Tagesnotizen #5: Aus dem Tritt

Oft fühle ich mich getrieben. Von meinem Umfeld, meinen Kindern, den Alltagsverpflichtungen. In den raren lichten Momenten erkenne ich, dass die größte treibende Kraft ich selbst bin.

Dann bremse ich mit quietschenden Reifen und kapituliere einfach.  Vor einem Programm,  dem ich mich manchmal nicht gewachsen fühle.  Diejenigen, welche mir auf mehr oder weniger subtile Art und Weise ihre Erwartungshaltung aufpfropfen, müssen mir egal sein. Andere mögen ein unsichtbares Supermom-Cape tragen.  Ich hingegen bevorzuge schlabbrige Kapuzenshirts.

Aber Abgrenzung war noch nie meine Stärke.

Mit Erziehungstipps wird nicht gespart.  „Sie hätten die Kleine einfach an einen Laufstall gewöhnen müssen. Dann wäre Ruhe. Aber jetzt ist es natürlich zu spät.“  Bei dem Gedanken, mein bewegungsfreudiges Ämmale auf 1×1 Meter einzupferchen, rollen sich mir nicht nur die Zehennägel hoch. Ein Generationenkonflikt. Früher mussten die Kinder nebenher laufen und der Veitstanz, den Eltern heute um ihren Nachwuchs herum veranstalten, kann nur ungesund sein.

Doch auch das andere Extrem, das die Kindererziehung zu einer Alternativkarriere umfunktionieren möchte und dabei den gleichen Leistungsanspruch an den Tag legt, der im Job tagtäglich unzählige Menschen in den Burnout treibt, meldet sich lautstark zu Wort. Wer es nicht schafft, die Sprösslinge von früh bis spät mit pädagogisch wertvollen Tätigkeiten zu unterhalten, mittags eine ausgewogene, selbst zubereitete, warme Mahlzeit auf den Tisch zu stellen, in der selbstredend nur Lebensmittel aus biologisch-dynamischen Anbau etwas verloren haben und wegen eines jeden Pupses eine Grundsatzdiskussion durchzuexerzieren , der bekommt den Loserstempel auch schneller aufgedrückt, als er „Wahnsinn“ sagen kann. „Wie, Du kochst den Brei nicht selbst? Was?! Du lässt Dein Kind mehr als 30min Fernsehschauen? Wir schauen den ganzen Tag Bilderbücher an und lesen Geschichten vor.“ Sogar ich, die ich Bücher für ein wahres Lebenselixier halte und versuche, diese Liebe auch meinen Töchtern nahezubringen, kann angesichts eines solchen Pensums nur ungläubig den Kopf schütteln.

Verzogene Schrazen oder vernachlässigte Sozialkrüppel?

Als Mutter hast Du keine Chance. Du kannst es nur verkacken.

Ich reiche meinem Eiliensche Stifte und Wachsmalkreiden, lege einen zerfledderten Karton aus dem Papiermüll auf den Boden und mich daneben.  Es ist mir egal, dass das Wohnzimmer aussieht, als hätte es gerade eben so einen Fliegerangriff überlebt und dass das Ämmale einen auf Kamikaze-Wutengel macht und Weitwurf mit Plastiktomaten aus der Spielküche übt.

Jedes Mal, wenn das Eiliensche mit dem Stift Löcher in den Karton stanzt, knackt es befriedigend. Während sie Kerbe an Kerbe aneinanderreiht und dabei verschlungene Pfade entstehen lässt, erzählt sie von den Kindern auf einer abenteuerlichen Reise. Fasziniert lausche ich ihrer Geschichte und dem monotonen Ploppen, das beinahe meditativ sein könnte, wäre da nicht das kreischende Hintergrundgeräusch. Gut, dass wir in einem Einfamilienhaus wohnen.

Sich einfach in die kunterbunte Kinderwelt hineinfallen zu lassen, statt verkrampft nach sinnvollen Beschäftigungsmöglichkeiten suchen.

Später drehen wir Pirouetten zu „ABBA“ und „Mamma mia“.

Und das Glück hat mich wieder.

Ungetrübt ist es leider nicht.

Fakt ist, dass ich immer krank bin. Mit kurzen, gesunden Unterbrechungen. Nichts Dramatisches, aber allemal beeinträchtigend.

Aktuell hat mich meine Birkenpollenallergie, die ich leider an mein Eiliensche weitergegeben habe, sowie eine erneute Erkältung am Wickel.  Ich klinge wie ein Kettenraucher, obwohl ich noch nie eine Zigarette angerührt habe. Der ständige Reizhusten raubt mir auch noch das letzte Quentchen Nachtschlaf und die Nebenhöhlen sind natürlich auch wieder zubetoniert. Ich weiß nicht, ob M. sich noch daran erinnern kann, wie ich ohne dieses sexy Näseln und rauchige Timbre in der Stimme geklungen habe.

An vereinzelten Tagen fühle ich mich tatsächlich fit. Dann sind sogar die Kinder von meiner Energie geplättet und ich kann erahnen, was alles möglich wäre.

Die einzig verbliebenen Stellschrauben – Ernährung und Bewegung – habe ich noch immer nicht ausreichend angezogen.

Für kurze Zeit hatte ich diesbezüglich zu einer passablen Routine gefunden. Aber irgendwie bin ich wieder aus dem Tritt gekommen.

Stolpersteine gibt es so einige. Mit entsprechender Willensstärke ließen sie sich bestimmt aus dem Weg räumen.

Andere mögen eine anhaltende Anosmie zum Anlass nehmen, eine radikale Ernährungsumstellung durchzuführen. Wenn sowieso alles nach Pappe schmeckt, zieht zumindest das Genussargument nicht mehr.

Doch ich befinde mich während geruchslosen Phasen stets auf der aussichtslosen Jagd nach einem Hauch von Geschmack. Und an den wenigen Tagen, die für mich das Geschenk des Riechens und Schmeckens bereithalten, schwelge ich ausgiebig in der unfassbaren Fülle an Aromen. Nie weiß ich, wann mir der Zugang zur betörenden Welt der Düfte wieder verwehrt wird.

Sinnlichkeit ist ein fragiles Gut. Oft scheu und ein Mimöschen. Zudem belagert von unzähligen, garstigen Möchtegern-Killern.

6 Kommentare

  1. Lisa von MamaKreativ

    Wünsche euch nochmal gute Besserung!!!
    Bei uns ist auch oft alles Chaos-Chaos. So wie jetzt, Trauben auf dem Boden, die Fenster voll mit Fingerabdrücken, Emelie schmeist Lego-Steine aus der Spielzeugkiste… Dann kommt bei mir die Phase wo ich versuche in Panik wieder alles aufzuräumen… Ewiger Kampf:D
    LG Lisa von http://mamakreativ.com

    • Federfarbenfee

      Liebe Lisa, ich danke Dir für Deine Besserungswünsche! 🙂 Beruhigend, dass das Chaos nicht nur bei mir daheim wütet. Die Szene, die Du schilderst, könnte 1:1 bei uns stattfinden. Ja, die Aufräumerei ist ein Sisyphusjob. Und wenn ich es doch mal geschafft habe, in eine Ecke Ordnung reinzubringen, wird diese garantiert innerhalb weniger Minuten von einem Tornado namens Ämmale heimgesucht und schlimmer verwüstet als zuvor. 😉 Herzliche Grüße, Marianne

  2. Katharine Loster

    Ich schicke dir ein ❤️! Sei du selbst. Du liebst deine Kinder von Herzen, genieße die gemeinsame Zeit mit ihnen und vergiss die Supermamas. Ich hoffe, dass sich meine Kinder in 20 Jahren an den Spaß erinnern und nicht daran, ob die Fenster geputzt waren oder Staubaliens unter der Couch lagen. Erziehe deine Kinder nach den Werten, die dir wichtig sind, auch wenn das nicht immer alle billigen. Krank, müde, erschöpft- ich kenne das nur zu gut. Versuch zu tun, was dir gut tut – soweit es möglich ist (das ist oft nur minimal möglich – ich weiß)! Es gibt keinen Zauber dafür. Ich drücke dich und sage dir, für deine Familie bist du sicher Supermom. ?

    • Federfarbenfee

      Liebe Katharine, danke für Deine herzlichen Worte! 🙂 Ich habe jetzt eine ganze Weile überlegt, was ich Dir antworte, aber Dein Kommentar ist so wohltuend und in sich rund. Ich möchte ihn gerne einfach so stehen lassen.
      Die Staubaliens allerdings will ich hiermit gesondert würdigen. Herrlich! 🙂 Fühl Dich auch ganz fest und innig umarmt! 🙂 Liebste Grüße, Marianne <3

  3. Claudia

    Auch ich bin mir oftmals der schlimmste Feind, wenn es darum geht, irgendwie allem und allen gerecht zu werden. Anstatt einen Sch…drauf zu geben, wenn es aus Zeitmangel eben mal nur einen Döner zum Abendbrot gibt, schmeissen wir uns dem guten Gewissen halber doch noch fix in die Küche und zaubern „was Gesundes“ her. Ist doch so, oder? Was dieser Teufel auf unserer Schulter doch alles mit uns macht! Ich plädiere in diesem Sinn für weniger Perfektionismus und weniger Einflüsse von aussen, die einem ein schlechtes Gewissen verursachen. Entspannter leben und lieber die Zeit mit den Kids geniessen als sich zu stressen wegen ein paar Staubkrümeln oder eben der Meinung anderer. So bleiben einem vielleicht auch so manche „Krankheiten“ erspart. Viele Grüsse! Claudia

    • Federfarbenfee

      Liebe Claudia, ich muss gestehen, dass ich das echt oft nicht hinbekomme mit den gesunden Mahlzeiten. Vor allem sind sie mir zu einseitig. Die Liste an Lebensmitteln, die meiner Großen munden, ist sehr übersichtlich. Und wenn ich nach einem schweißtreibenden Kochmarathon, der noch dadurch verlängert wird, dass ich die Kleine ständig aus dem Vorratsregal fischen und sie letztendlich auf dem Bein und/oder auf der Hüfte balancieren muss, während ich einhändig den Kochlöffel schwinge, nur ein „Bäh, das mag ich nicht“, ernte, vergeht mir irgendwann die Lust. Wobei Du ja noch vor sehr viel größere Herausforderungen gestellt bist mit den Nahrungsmittelunverträglichkeiten Deines Sohnes. Da darf ich eigentlich nicht lamentieren. Aber derzeit kann ich noch nicht mal abschmecken, weil ich eben nichts schmecke. Diese ständigen Erkältungen lähmen mich. Werde ich zusätzlich mit „guten“ Ratschlägen konfrontiert, könnte ich die Wände hochgehen – wäre ich nicht so kraftlos momentan. An der Sache mit der Entspannung muss ich echt noch feilen ;-), aber wahrscheinlich ist das der Schlüssel. Viele liebe Grüße zurück! 🙂

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