Von jung und angejahrt in Wort und Bild

Monat: November 2015

Südtiroler Begegnung

Das Ämmale verteilt gerade genüsslich die Butterbrotreste auf der Couch, während das Eiliensche versucht, mir das Plastikfieberthermometer in den Bauchnabel zu rammen.

Egal. Ich schreibe. Zumindest diesen einen Satz, bevor er sich für immer verabschiedet.

Das Eiliensche zieht  „St.-Martin-ritt-durch-Schnee-und-Wind“-singend und auf einem der längst verschollen geglaubten Stäbe aus dem Gitterbett thronend ihre immer enger werdenden Bahnen um den Esstisch. Als Umhang dient ihr einer meiner guten Microfleecestoffe, aus denen ich eigentlich Kuschelpullis für die lieben Kleinen fertigen wollte. Aber zum Nähen komme ich in diesem Leben sowieso nicht mehr und mit so einem Requisit wirkt die St.-Martins-Vorführung gleich noch authentischer.  Nachdem das Ämmale dem wallenden Tuch in die Quere gekommen ist und sich unfreiwillig von dessen wärmenden Eigenschaften überzeugen konnte,  hat sie sich unter den Tisch geflüchtet, um nun mein Bein als Aufstehhilfe zu benutzen und mir vorwurfsvoll ins Knie zu beissen.

Egal. Ich schreibe. Zumindest diese eine Zeile, die mir schon seit Stunden im Kopf herumspukt.

Im Bad, im Schlafzimmer, auf der Treppe und im Keller türmt sich die Wäsche. In der Spüle, auf dem Herd und der Arbeitsplatte das Geschirr. Wir haben nichts anzuziehen und keine Teller, von denen wir essen können.

Egal. Ich schreibe.  Zumindest dieses eine Wort, zu dem ich nur noch den richtigen Kontext finden muss.

Später am Abend. Die Kinder sind endlich im Bett. Ruhe. Der Laptop ruht auf meinen Oberschenkeln, die Finger schweben über der Tatstatur.

Egal. Ich schreibe nicht. Meine Augenlider sind schwer wie Blei und pfeiffen auf die Kommandos aus der Hirnzentrale.

Ihr seht – ich bin dran am zweiten Kapitel. Wenn es in diesem Tempo weitergeht,  schaffe ich pro Woche eine halbe Seite. Sofern ich genügend Absätze einbaue.

Dennoch habe ich meinen – in Anbetracht der geschilderten Umstände – nahezu absurd erscheinenden Plan, jede Woche ein Kapitel online zu stellen, noch nicht ad acta gelegt.

Heute Mittag in einem überfüllten Aufzug irgendwo in München: Ein sonnenverbranntes Gesicht, aus dem uns verschmitzt zwei aquamarinblaue Augen entgegenblitzen. So klar und erfrischend wie der Eisack, schießt es mir unvermittelt durch den dröhnenden Schädel. Nicht verwunderlich. Wandelt doch ein Teil meines Geistes gerade in den Dolomiten, die einen zentralen Schauplatz meiner Geschichte bilden.  Doch als dieser Mann,  der da so bewundernswert gelassen inmitten des Gewusels steht, den Mund aufmacht und uns freundlich anspricht, ist es mir unmöglich, mich auf den Inhalt seiner Worte zu konzentrieren. Jenes melodische, samtig-rauchige Timbre ist mir wohlvertraut. „Sind Sie Südtiroler?“, frage ich ihn mit einer für mich atypischen, fast unhöflichen Direktheit. „Ja.“ Er lacht. Ein wenig überrascht, aber auch erfreut.

Das ist ein Zeichen.

Nichtsahnend hat mir dieser angenehme Zeitgenosse aus meiner zweiten Heimat soeben einen ungeheuren Motivationsschub verpasst.

Gespenster

Als das Eiliensche mir ihr neuestes Werk präsentiert, muss ich erst einmal schlucken. „Willst Du mir erzählen, was Du da gemalt hast?“ „Ja. Das da ist ein Spenstermann.“ Meine Tochter deutet eifrig auf die schwarze Gestalt in der Mitte. Das Gesicht wirkt auf mich sehr plastisch und eindringlich. „Und was hat der Spenstermann da in der Hand?“ „Das ist ein…“ Sie sucht nach einem Wort und runzelt dabei die Stirn. Dann öffnet sie den Mund und es kommt etwas heraus, das klingt wie „Schawala“. „Hm…“ Im Geiste gehe ich alle Begriffe durch, die phonetisch dazu passen könnten. Aber mir fällt kein Wort ein, das annähernd so klingt und Sinn macht. „Kein Schwert, oder?“, unternehme ich einen lahmen Versuch. „Nein!“ Entgegnet das Eiliensche entrüstet. „Ein SCH-A-W-A-L-A“. Sie betont die Silben überdeutlich und sieht mich an, als hätte ich noch maximal eine bereits erlöschende Kerze im Leuchter. „Und da ist das Spensterkind.“ Gemeint ist das kleine dunkle Wesen unten rechts, das die Arme in Richtung Gespenstermann zu heben scheint.

Das Eiliensche weiss, dass ich ein Buch schreibe, aber nicht, um was es geht. Und ich achte  penibel darauf, dass sie in meinen Gesprächen mit M. nichts aufschnappt. Noch kann sie nicht lesen. Wäre auch etwas früh mit knapp 3 Jahren.  Doch sie ist fasziniert von Büchern und will unbedingt teilhaben an  der Welt des geschriebenen Wortes.  Es stört sie sehr, dass sie derzeit auf uns angewiesen ist und die Buchstaben nicht alleine zum Leben erwecken kann. Natürlich liebt sie es, wenn wir ihr vorlesen, aber sehr oft meint sie dann sehnsüchtig: „Ich will auch lesen lernen.“

Oft verlangt sie, dass ich bestimmte Worte  für sie auf`s Papier schreibe und sie versucht dann, diese nachzumalen. Wenn es sich ergibt, zeige und erläutere ich ihr, aus welchen Buchstaben das Wort besteht.  Derzeit sind das alles Hieroglyphen für sie.  Und sie hat doch noch Jahre Zeit, um Schreiben und Lesen zu erlernen. Aber erkläre das mal einer meinem ungeduldigen Kind.

Jedenfalls bin ich etwas besorgt über ihr reges Interesse an Geistern, gruseligen Begebenheiten, Stimmungen und Erzählungen. Ich weiss, was eine ausgeprägte Phantasie aus einer harmlosen Geistergeschichte machen kann.  Nein, davor will ich das Eiliensche bewahren, soweit und solange es in meiner Macht steht.

Meinen Selbstschutz allerdings werde ich für meine Geschichte bis zu einem gewissen Grad aufgeben müssen. Und es bereitet mir nicht nur behagliche Gedanken, dass zu später Stunde Realität und Illusion sich vermengen und die Protagonisten meiner Erzählung mich bei jedem Handgriff begleiten und mir bis auf die Toilette folgen werden.  Was  ist die Alternative? Ein fluffig-lockerer Liebesroman? Nein, ich glaube, das liegt mir nicht.

Ich muss an das antiquarische Buch denken, dass meine Mutter mir vor einiger Zeit einmal zeigte. Sie hatte es von einem Nachbarn geliehen bekommen.  So alt, dass die brüchigen, vergilbten Seiten einem schon fast in der Hand zerbröselten.  Der Titel war harmlos. Ich komm nicht mehr drauf. Aber zwischen hausbackenen Tipps aus Großmütterchens Mottenkiste fanden sich einige Rezepturen, die teils sehr ominöse Formeln enthielten.  Während ich dieses eigenartige Buch durchblätterte, fragte ich mich, ob das wirklich so eine gute Idee wäre mit meiner Geschichte.  Im Hinblick auf meine eigene Psyche.  Doch ich hoffe, dass ich die Fäden selbst in der Hand behalte und mein Buch eines zum Wohlfühlen wird. Eines, das man gerne um sich hat. Keines, das man aus lauter Furcht am liebsten in das hinterste Eck seines Bücherregals verbannen oder so schnell wie möglich loswerden will.

 

 

Am Anfang war Lila: Kapitel 1

Nächtlicher Besuch

»Siehst Du diese winzigen, leuchtenden Punkte, die da so wild umherwirbeln? Das sind kleine Elfen, die Dich nachts beschützen. Sie spielen Fangen. Ein paar gehen dort auf der Bettkante spazieren. Andere sitzen auf dem Fensterbrett und lassen die Beine baumeln. Sie alle bewachen Deinen Schlaf. Du musst keine Angst haben.« Luis und Priska, Elenas Eltern, deuten auf das neue Babyphone, dessen aktivierte Infrarotlichtkamera gnadenlos die unzähligen Staubkörner einfängt, die vorhin beim Bettenmachen aufgewirbelt wurden. Sie tanzen einen magisch anmutenden Reigen.

Die Vierjährige runzelt die Stirn. »Das sind keine Elfen. Das ist Dreck.«

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Am Anfang war Lila

Die von mir vollmundig angekündigte Leseprobe folgt, noch bevor diese Woche vorüber ist. Sofern meine liebreizenden Töchter nicht wieder heimlich ein Komplott schmieden. Jedenfalls bin ich dran. Am ersten Kapitel.

Meine Schreibambitionen für den heutigen Morgen wurden allerdings vom Ämmale gleich rigoros im Keim erstickt. Nach meiner obligatorischen Nasenspülung schlich ich auf Zehenspitzen ins Wohnzimmer. In meiner Rechten ein Teller mit Honigbroten, in der Linken meine Kaffeetasse, unter`n Arm geklemmt das Babyphone. Da krähte es schon ungehalten. Synchron. Von oben und aus dem Babyphone. 30 Minuten Powernap. Nicht mehr und nicht weniger. Ich gebe die Hoffnung trotzdem nicht auf, dass das Ämmale auch in meiner Obhut mal länger als eine halbe Stunde schläft. Mein Mann hatte kürzlich einen Tag Urlaub. Es war unser beider Wiegenfest und ausserdem musste ich mit dem Eiliensche Vormittags zum Kinderarzt. Als ich nach Hause kam, empfing mich ein tiefenentspannter M. „Das war total gechillt. Ich weiss gar nicht, was Du immer hast. Das Ämmale hat ruhig und friedlich 2h gepennt.“ Danke für`s Gespräch.
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Vom Stillen

Es ist ein schleichender Prozess. Aber heimlich, still und leise neigt sich die Stillzeit mit meinem Ämmale dem Ende zu. Und schon jetzt empfinde ich Wehmut.

Das Stillen ist eine sehr persönliche Angelegenheit und ich habe nie verstanden, warum bei diesem Thema so viele Mütter auf einmal übergriffig werden und einen entweder in die eine, oder auch in die andere Richtung schubsen und drängen wollen.

Die Gründe, warum jemand stillt oder nicht, sind so vielfältig und individuell wie die Frauen und ihre Kinder selbst.

Für mich war es schon beim Eiliensche damals ein absoluter Herzenswunsch.  Das Stillen. Ein tiefes, inneres Bedürfnis, dass ich nicht rational erklären kann.
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Frozen: DIY Elsas Ice Castle

 Wie so viele andere kleine Mädchen ist das Eiliensche absolut „Frozen“-narrisch. Und auch wenn ihre kleine Elsa-Puppe hier im Haus jede, im Entferntesten als Nordberg in Frage kommende Erhöhung – von diversen Bücherregalen, über Sofakissen, Stühlen, Tischen bis hin zu Haufen aufgetürmten Haushaltsutensilien – erfolgreich erklommen hat : Als Eisschloss war nichts gut genug. Obwohl ich mindestens 30 verschiedene Lego-Duplo-Schlösser mit ihr gebaut und kurzerhand sogar das Playmobilshoppingcenter als Eispalast umfunktioniert habe.

Im Schweisse meines Angesichts wühlte ich mich des Nächtens durch das Internet. Auf der Suche nach erschwinglichen Ice Castles, die den kritischen Blicken meines Eiliensche würden standhalten können. Leider hat mich das im Handel Dargebotene bitter enttäuscht.

Was also tun? Selbermachen? Ich durchforstete Google und Pinterest nach DIYs zu Elsaschlössern. Und tatsächlich: Endlich wurde ich fündig. Die Anleitung von myFroggyStuff (https://www.youtube.com/watch?v=SxHGuYWeNFU) erschien auch mir, die sich im Modellbau und Papercrafting nicht wirklich auskennt, gut umsetzbar.
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Der Weg zum eigenen Buch

Und Euch möchte ich gerne mitnehmen auf diesen Weg! Auch wenn dieser mit Sicherheit so einige Stolperfallen bereit hält und ich mich manchmal im Dickicht abseits des Pfades verirren und hin und wieder die falsche Abzweigung nehmen werde.

Es ist Herbst. Noch. Letzten Herbst, zur Kastanienzeit – ich war gerade mit meinem Ämmale schwanger – schrieb ich euphorisch in mein Online-Tagebuch: „Der Plot steht und nun verfolgen die Ideen wieder mich und nicht umgekehrt.“

Das ist nun mehr als ein Jahr her. Das Gerüst der Geschichte ist inzwischen stabiler geworden, aber noch habe ich keine einzige echte Zeile zu Papier bzw. in das Textverarbeitungsprogramm gebracht. Das soll, nein, das WIRD sich nun ändern.
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Wasserfarben am Morgen

Im Nachthemd.

Es ist 10.00Uhr und wir essen After Eight.

Starker Kaffee für mich, Saft für das Eiliensche.

Ein durchwachsener, eher muffeliger Sonntagmorgen.

Mit Wasserfarben und Buntstiften machen wir ihn freundlicher. Und bunter.

Meine kleine Große kommentiert ihre Zeichnung:

Monster, Regen, Drache mit Baby im Bauch.

Kinderbild_Eieliensche_081115_klein

Ich lausche.

Und während ich mit Kopf und Bauch beim Eiliensche bin, malt der Pinsel in meiner Hand auch. Irgendwas.

Bild_091115_klein

 

 

Spielwies`n 2015

Welchem gemeinsamen Ziel pilgern, hopsen, schlendern, schlurfen und schweben an diesem gar nicht so grauen Novemberwochenende Horden von Menschen aller Altersgruppen entgegen? Wo kann man hautnah miterleben, wie Paralleluniversen aufeinanderprallen, sich bärtige Nerds durch endlose Buggykarawanen schlängeln und die leuchtenden Augen frischverliebter Pärchen mit denen all der Kinder um die Wette funkeln, die sich endlich in Alice`s Spielewunderland angekommen wähnen?

Die alljährliche Münchner Spielwies`n ist etwas für Junge und Junggebliebene. Gut, nur Erstere schaffen es auch nach acht Stunden Spielemarathon noch, das Duracellhäschen alt aussehen zu lassen.

Der Fokus liegt nach wie vor auf den Brettspielen. Das muss man wissen.
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Negativbeispiel eines ersten Eintrages

Bad Vibes.

Körperlicher Verschleiss und chronische Schlaflosigkeit.

Themen, die sich nicht einmal bedingt für einen allerersten Post eignen, der eigentlich Lust auf mehr machen und nicht statt dessen die Leser verschrecken soll.

Klingt eher nach dem Standardrepertoire eines Tattergreises.  Aber es ist nunmal das, was mich gerade umtreibt. Und strenggenommen bin ich auch schon ein altes Mütterlein. Schließlich bin ich vor ein paar Tagen 39 geworden. Aber irgendwie kratzt mich das erstaunlicherweise nicht sonderlich. Viel schlimmer war zum Beispiel mein 17. Geburtstag. Damals habe ich in meinem (handschriftlichen) Tagebuch vermerkt: „Jetzt bin ich alt.“

39. Das ist sogar eine sehr schöne Zahl, finde ich. In sich rund. Runder noch als 40. Zumindest optisch. Ausserdem ist die 3 meine Glücksziffer. Und 3×3 ist 9. Also durchaus liebenswert, die 39. Doch ich schweife ab.
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